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Prof. Dr. Kurt Singer - Leitgedanken

Zivilcourage in der Schule
Erfahrungen und Erkenntnisse

1. Zivilcourage - Mit sozialem Mut für Humanität eintreten

  • Zivilcourage ist der soziale Mut, die persönliche Meinung frei zu äußern, auch gegenüber der Obrigkeit und Mehrheit, selbst dann, wenn die Einmischung den Vorgesetzten, Regierenden oder der Umgebung missfällt.

  • Bürgermut beginnt damit, genau hinzusehen und wahrzunehmen, was wirklich ist – statt wegzuschauen und Unrecht in Schweigen zu hüllen: Eingreifen für eine gerechte Sache.

  • Menschen mit zivilem Mut stehen zu ihrer Überzeugung, auch wenn ihnen ihr Einspruch Nachteile bringt: Sie machen nicht mit bei Aktionen, die sie als inhuman erkennen.

  • Zivilcouragierte Einmischung geschieht nicht privat, sondern öffentlich. Sie macht die Mitmenschen auf ein gesellschaftliches Problem aufmerksam.

  • Inhalte des sozialen Mutes sind Themen, die alle Bürger angehen; sie betreffen das Zusammenleben; deshalb sind sie im weitesten Sinn politisch.

  • Zivilcourage ist gewaltfrei. Menschen mit sozialem Mut setzen sich zivil mit anderen auseinander: gewaltlos. Sie wehren sich gegen inhumane Zumutungen.

  • Sozialer Mut zeigt sich im Eintreten für Humanität: Dem Unrecht mit moralischem Einspruch und Handeln begegnen, Mensch und Natur schützen, „Fremde“ und „Andere“ gelten lassen, die Würde des Menschen achten, Schwachen helfen, Demokratie wagen.

2. Zivilcourage - eine in der Schule unterentwickelte demokratische Tugend

Meine Erfahrungen und Erkenntnisse sind: Bei allen an der Schule Beteiligten ist sehr wenig sozialer Mut zu beobachten. Die menschlich unzureichende Qualität der Schule wird in Schweigen gehüllt, abhängig machende Lehrmethoden werden beharrlich beibehalten. Die Tabus bei Macht missbrauchendem Lehrerhandeln halten den pädagogischen und psychologischen Erkenntnisstand niedrig, wie die praktizierte Schulpädagogik zeigt.

Schülerinnen und Schüler trauen sich nicht aufzumucken,
wenn sie mit Lehrern und Schule nicht einverstanden sind. Sie kennen das Macht-Ungleichgewicht zwischen Lehrern und Schülern und befürchten, ihr Widerspruch könnte ihnen Nachteile bringen. Schüler sind abhängig, weil sie zensiert werden, weil Lehrer eine Fülle von Strafmaßnahmen besitzen: vom Verweis bis zum Schulausschluss, weil sie durch ängstigendes Abfragen Schüler in Schach halten, sie mit Extemporalien erschrecken können, ihr Vorrücken gefährden, die „Notenschraube anziehen“ können – ein Folterinstrument?

Eltern halten ihre Kritik zurück
Sie sehen ihre Kinder als „Geiseln“ in der Hand der Lehrer: die Schüler müssten „büßen“, wenn sich Mütter und Väter kritisch äußerten. In Wirklichkeit ist es Autoritätsangst, die Eltern den Mund verschließt. Zivilcourage ist in der Schule besonders selten, weil Schule der Ort ist, an dem durch autoritäres Lehrerverhalten ein Grund gelegt wurde für Autoritätshörigkeit. Die tief eingewurzelte Angst vor den als „mächtig“ erlebten Lehrern wird in den Eltern wieder belebt, wenn sie sich mit den Lehrern ihrer Kinder auseinander setzen sollen. Manche Eltern nehmen die schützende Hand von den Kindern zurück, wenn sie diese als „Schüler“ an die Schule „abgeben“.

Lehrerinnen und Lehrer tun, was ihnen vorgeschrieben wird,
auch wenn es unpädagogisch ist. Widerspruch kommt selten auf, er wird von den Behörden bürokratisch zurückgewiesen. Gehorsam gegenüber den „Dienstherren“ spielt in der Schule eine prägende Rolle. Lehrerinnen und Lehrer sind wenig offen für Kritik und Selbstkritik. Bereits vorsichtige Kritik wird als „Lehrerschelte“ zurückgewiesen – ohne dass deren Inhalt bedacht wird.

Politiker zeigen wenig Mut, sich für Schüler einzusetzen
Sie sind zwar bereit, bei Jugendlichen Reden über Zivilcourage zu halten, aber engagieren sich nicht Engagement für junge Menschen. Schüler sind keine Wähler, Lehrer schon; das ist einer der Gründe, weshalb es nur wenige Politiker wagen, pädagogisch sachkundige Kritik an Lehrern zu äußern. Auch in Politikern beobachtet man die tief sitzende Autoritätsangst und die fehlende Mitfühlfähigkeit mit Schülern, wenn es darum ginge, sich schützend vor die Kinder zu stellen.

3. „Autoritärer Charakter“ von Lehrern schließt Zivilcourage aus

Beherrschen und sich unterwerfen
Man kann nicht behaupten „die“ Lehrer in ihrer Allgemeinheit seien von den Merkmalen des autoritären Charakters geprägt. Aber es ist zu beobachten, dass verhältnismäßig viele Personen dieser Charakterstruktur vom Lehrberuf angezogen und von den hierarchischen Strukturen des Schulsystems darin bestärkt werden. Gegenüber den Kindern sind Lehrer von vornherein überlegen und können ihre Neigung, andere zu beherrschen, unkontrolliert ausüben. Andererseits finden sie in den Unterordnungs-Strukturen des Schulsystems Bedingungen, die ihrem Sicherheitsbedürfnis als Untertan entgegen kommt.

Macht ausüben als Schwarze Pädagogik: „Wir wollen nur das Beste für das Kind“
Personen mit autoritärem Charakter üben auf andere Macht aus und wollen gleichzeitig den Mächtigen untertan sein. Sie streben danach, andere Menschen von sich abhängig machen – dazu eignen sich unterlegene Kinder. Oft beherrschen sie die Heranwachsenden im Sinne der Schwarzen Pädagogik: „Wir meinen es ihnen ja nur gut.“ In Wirklichkeit üben sie Macht aus: machen ihnen Angst, demütigen sie, überfordern sie mit überhöhten Leistungsanforderungen, machen sie verächtlich, disziplinieren sie mit Notendruck...
Lehrer brauchen „Erziehungs-Macht“, um eine Ordnung herzustellen, in der die Schüler gut lernen können. Da sie pädagogisch kaum ausgebildet sind und sich unzureichend fortbilden, sind sie lernpsychologisch, didaktisch und schulpädagogisch wenig kompetent. Deshalb geraten sie leicht in Versuchung, fehlende unterrichtliche und erziehungs-psychologische Fähigkeiten durch Machtausübung auszugleichen und dabei ihre Macht zu missbrauchen.

Gehorsamsbereitschaft der Lehrer durch Selbstentmündigung
Bei Lehrerinnen und Lehrern mit autoritärer Charakterausprägung ist die „geduckte Haltung“ nicht der „aufrechte Gang“ üblich. Sie sehnen sich nach Erlassen und unterwerfen sich in blindem Gehorsam den Anordnungen. Ihre Entmündigung wird nicht nur durch die Vorgesetzten vollzogen – Lehrer mit autoritärem Charakter steigen in der Schulhierarchie oft auf - , sondern erweist sich auch als Selbstentmündigung. Sie opfern sich freiwillig einer Obrigkeit, die sie erst gar nicht auf die Probe stellen.
Unter den Bedingungen des autoritären Charakters wird Zivilcourage bei Schülern unterdrückt, und von Lehrern selbst nicht gewagt.

4. Schulerfahrungen, die den Bürgermut der Jugendlichen fördern

Es gibt Kindheitserfahrungen, die ziehen sich als Leitmotiv durch das Leben sozial mutiger Menschen. Aber jede Entwicklung verläuft anders, und mancher konnte erst im Erwachsenenalter durch neue Lebensumstände und wertgerichtete Erkenntnisse Bürgermut lernen.

Schüler in ihrem Selbstwertgefühl stärken

  • Kinder sollten in ihrem Selbstwert bestärkt werden. Denn das Selbstwertgefühl ist eine wichtige Grundlage des Bürgermuts. Schüler brauchen Zustimmung zu ihren schulischen Arbeiten, um sich als wert-voll zu erleben. Das Interesse der Lehrer für sie als Person, nicht nur als „Schüler“, zeigt den Heranwachsenden, dass sie wichtig sind. Sie sollten eine sichere Führung erleben, die sie bei der Realitätsfindung unterstützt.

  • Alle klein-machenden Maßnahmen vermeiden, damit das Selbstwertgefühl nicht verletzt wird: Auslachen, demütigen, bloßstellen, schlechte Noten öffentlich bekannt geben, Kinder mit ironischen Bemerkungen kränken, sie gegen ihren Willen „drannehmen“, Schülerarbeiten ohne Einverständnis der Schüler vorlesen, ihre Meinung nicht ernst nehmen, ihren Widerspruch unterdrücken... Schüler sollen ermutigt werden, das oft als „selbstverständlich“ geltende Unrecht des Lehrerhandelns als Unrecht wahrzunehmen.

  • Das Ich stärken durch einen Unterricht, der die Schüler Erfolg erleben lässt und dadurch ihre Person stärkt, den schwachen Schülern beistehen, die leistungstüchtigeren helfen lassen, in Kindern die Hoffnung auf Erfolg aufrecht erhalten, ihre besonderen Stärken gelten lassen, sie so taktvoll behandeln wie Erwachsene.

Soziale Tugenden nicht nur lernen, sondern erfahren

  • In der Schule werden humane Wertvorstellungen erfahren und Tugenden gelernt: Achtsam miteinander umgehen, Rücksicht nehmen, die Meinung des anderen ernst nehmen, einander unterstützen. Kinder und Jugendliche werden ermutigt, nach moralischen Maßstäben zu entscheiden, ohne ausschließlich darauf zu schauen, was andere vorschreiben. Sie sollten darin gestärkt werden, moralische Wertvorstellungen zu ihrer Überzeugung zu machen. Normen müssen nicht nur gelernt, sondern erfahren werden.

  • Im Unterricht wird die Fähigkeit unterstützt, sich in andere einzufühlen. Das geschieht zum einen durch Unterweisung, zum Beispiel im Literaturunterricht, Ethikunterricht, Religionsunterricht, Sozialkundeunterricht und in anderen Fächern. Zum Unterricht in Ethik muss die angewandte Ethik kommen, durch die die Schüler praktische handelnd erleben, wie man anderen zuhört, auf sie eingeht, ihnen hilft...

  • Jugendliche sollten in der Schule erfahren: Menschen, die „anders” sind, begegnen wir mit Toleranz. Die „Schwachen“ in der Klasse, Ausländer, Kinder mit Besonderheiten. Es wäre schön, wenn Lehrerinnen und Lehrer partnerschaftliches und zivilcouragiertes Verhalten vorlebten und Kinder die Möglichkeit hätten, sich mit ihnen zu identifizieren.

  • Lehrerinnen und Lehrer sollen das soziale Verhalten vorleben, das sie von den Schülern erwarten. Der Respekt der Schüler gegenüber den Lehrern beruht auf deren menschlichen und intellektuellen Qualitäten. Die Lehrerautorität drückt sich darin aus, dass die Lehrerpersönlichkeit ihn Fach überzeugend vertritt, lebendig unterrichtet, als Person beziehungsfähig und moralisches Vorbild ist. Der pädagogische Takt des Lehrers schafft ein Klima der Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft.

Einsichtigen Gehorsam und sozialen Ungehorsam lernen

  • Lehrerinnen und Lehrer fordern nicht blinden, sondern einsichtigen Gehorsam. Gehorchen wird zur wert-gerichteten Entscheidung. Erkennender Gehorsam schließt ein, den Befehl zu verweigern, wenn er gegen Grundwerte verstößt. Eigen-Sinn soll als eigener Sinn der Schüler angenommen - und nicht als „Eigensinn“ bestraft werden. Ungehorsam wird ernst genommen, auch wenn er nicht akzeptiert werden kann.

  • Lehrer argumentieren; sie erklären die Regeln, die sie aufstellen und setzen sich mit den Kindern über wert-volles Handeln auseinander. Dabei lassen sie die Schüler erleben, wie sie selbst argumentieren können und wie daraus vernünftige Regelungen eines Arbeitsbündnisses erwachsen.

  • Schüler sollten gute Erfahrungen mit dem Nein-Sagen machen, damit sie lernen, ein sich selbst bewahrendes Nein auszusprechen. Sie erfahren, wie Einspruch und Widerspruch vom Lehrer akzeptiert, nicht von vorn herein zurück gewiesen werden, sondern zu konstruktiver Auseinandersetzung führen.

Politik gehört in die Schule – als Fach und als Handlungsprinzip

  • In der Schule sollten gesellschaftliche und politische Fragen diskutiert werden. Politik gehört in den Unterricht – nicht nur als Fach, sondern als Prinzip in allen Fächern. Der Lehrplan sollte nicht verhindern, dass das zum Thema gemacht wird, was jetzt Menschen bewegt. Schüler sollten an aktuellen Konflikten erkennen, wie Konflikte entstehen, welche Hintergründe sie haben und wie sie zu regeln sind. Politisches Denken wird eingeübt.

  • Zivilcourage und sozialer Ungehorsam sollten Unterrichtsthema sein: an geschichtlichen und aktuellen Ereignissen, in der Schulklasse und engeren Umgebung, durch Literatur- und Ethikunterricht, am Beispiel großer Vorbilder. Die Schüler sollen lernen, wie man sozialen Mut lernt, im Rollenspiel einüben die eigene Meinung kund zu tun, gewaltfreies Verhalten ausprobieren, also nicht nur über Zivilcourage reden, sondern sie praktisch erfahren und über die Erfahrung gemeinsam nachdenken.

Die Schüler Mitbestimmung und Mitverantwortung erleben lassen

  • Die Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler in Unterricht und Schulleben ist Vorbereitung auf demokratisches Handeln und politisches Mitgestalten. Mitbestimmung nicht nur als Demokratie-Spielerei, sondern dort, wo es um wirkliche Interessen der Schüler geht: bei der Unterrichtsmethode, der Stoffauswahl, der Gestaltung des Schullebens. Überall dort, wo Schüler Betroffene sind, sollen sie zu Beteiligten werden, die die Ereignisse mitbestimmen können.

  • Kinder sollten Kritik am Lehrer üben dürfen und dabei lernen, wie man Kritik taktvoll vorbringt. Kritik sollte nicht so ausschließlich nur vom Lehrer zu den Schülern führen wie bisher. Kreisgespräche, mündliche und schriftliche Mitteilungen, Befragungen können Anlass zu gemeinsamen Gesprächen sein, deren Thema auch der Pädagogische Takt von Lehrern ist. Dabei erfahren die Schüler, wie Kritik oft Selbstkritik einschließt.

  • Viele Schüler befürchten, bei Widerspruch von Lehrern bestraft zu werden. Diese Angst muss ernst genommen werden und immer wieder gemeinsames Thema sein. Das natürliche Macht-Ungleichgewicht in der Erziehungssituation schließt die Gefahr des Macht-Missbrauchs ein. Damit sich Schülerinnen und Schüler auf Mitverantwortung einlassen, müssen sie sicher sein, dass sie die Lehrer im Zusammenhang mit demokratischem Widerspruch nicht bestrafen. Für demokratische Opposition darf es keine Benachteiligung geben. Die Gefahr, dass Lehrer ihre Sanktions-Macht einsetzen, wird geringer, wenn die Abhängigkeit der Schüler gesehen, benannt, und dass der daraus entspringenden Gefahr gegengesteuert wird.

Unterricht muss die Schülerinnen und Schüler herausfordern, selbständig zu handeln

  • Entdeckendes Lernen in der Schule, Projektunterricht und offener Unterricht stärken die Eigenständigkeit. Unabhängiges Denken und Selbständigkeit werden in freien Unterrichtsformen unterstützt. In Partner- und Gruppenarbeit erfahren die Jugendlichen, dass Kooperation nicht nur das humanere Prinzip ist, sondern auch das lernwirksamere. Das „Helferprinzip“ sollte selbstverständlicher Bestandteil des Unterrichts sein.

  • In Kreisgespräch und Diskussion können Schüler die Kunst des Gesprächs üben: dem andern zuhören, aufeinander eingehen, niemand persönlich angreifen, Probleme stellen und aufgreifen, keine Überzeugungs-Machtkämpfe führen, sondern die eigene Position deutlich machen, argumentieren, aufeinander eingehen...

  • Freier Aufsatz und freie Rede machen eigenständig. Die Schüler sollen im Deutschunterricht lernen, das zu schreiben, was sie zu sagen haben – und nicht gezwungen werden, über Themen zu schreiben, die ihrem Denken fern liegen. Die Bemerkung „Thema verfehlt“ verweist meistens darauf, das der Schüler sein Thema gefunden, aber der Lehrer das Thema verfehlt hat.

5. Schüler vor klein-machendem Lehrerverhalten schützen

„Lehrerinnen und Lehrer sind auch nur Menschen“, heißt es oft. Das sollten sie auch sein, sie dürfen nur nicht – auch nicht in „Einzelfällen“ – „Unmenschen“ sein. Als pädagogischer Imperativ sollte gelten: „Schüler dürfen nicht in ihrem Selbstwertgefühl verletzt werden. Auch die Würde des Schülers ist unantastbar.“ Wo pädagogischer Takt grob missachtet wird, sollten sich Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schüler zivilcouragiert wehren.

Sich wehren: Wege der Konfliktbearbeitung bei verletzendem Lehrerverhalten

Es ist wichtig, sich aller möglichen Aktionen bewusst zu werden, um nicht in Gefühlen der Ohnmacht sich selbst und die Kinder aufzugeben.

  • Eltern und Lehrerkollegen sollten bei seelischen Verletzungen der Kinder durch Lehrer genau hinsehen, statt wegzuschauen. Den Kindern zuhören; sie ernst nehmen, wenn sie über entwürdigende Vorkommnisse berichten, diese schriftlich festhalten. Mit anderen Schülereltern über deren Beobachtungen sprechen; sich solidarisieren, um gemeinsam für Kinder einzutreten.

  • Elterngespräche mit dem schwierigen Lehrer sollten die Not des Kindes erkennen lassen, statt Lehrer vorschnell schuldig zu sprechen. Des Lehrers Sicht anhören, aber unbedingt auf den Persönlichkeitsrechten der Schüler bestehen. Die Wünsche nach Veränderungen müssen konkret formuliert werden.

  • In Gesprächen der Eltern mit der Klassenlehrerin, dem Vertrauenslehrer, mit aufgeschlossenen Lehrern des Kollegiums geht es darum, die verletzenden Situationen aufzuzeigen, schul-öffentlich zu machen, um Mithilfe zu bitten. Dazu dienen auch gemeinsame Gespräche zwischen Schülern, Eltern und Lehrern.

  • Gespräche mit der Schulleitung auf Grundlage genauer Informationen und Notizen über demütigendes, taktloses, überforderndes oder unterdrückendes Lehrerverhalten führen. In Gesprächen in der Lehrerkonferenz ein Bündnis für gemeinsame Lösungen im Interesse von Schule und Schülern anstreben.

  • Gespräche von Lehrerkollegen mit dem unpädagogisch handelnden Lehrer: einzeln oder in kleiner Gruppe den Konflikt klären, Hilfsangebote machen und Grenzen setzen. Gespräche aller Beteiligten mit Schulpsychologen und Beratungslehrern: Wie können diese sich für die Schüler einsetzen?

  • Konflikt-bearbeitende Gespräche der Schüler mit dem schwierigen Lehrer, zusammen mit einem vermittelnden Lehrer: Mediation. Den Schülern und dem Lehrer zuhören, Vorschläge erarbeiten und anteilnehmend verfolgen, wie sie verwirklicht werden.

  • Diskussion im Elternbeirat. Gespräche von Elternvertretern mit dem Lehrer, Klassenlehrer, der Schulleitung. Zusammenarbeit mit Schülern und Schülervertretern. Schüler und Schülersprecher unterstützen, ihre Rechte kennen zu lernen und wahrzunehmen.

  • Zum Schutz des Kindes einen Schulwechsel beantragen: das durch den unpädagogisch handelnden Lehrer verunsicherte Kind in einer anderen Klasse, nach sorgfältiger Vorbereitung mit der aufnehmenden Lehrerin, einen neuen Anfang machen lassen.

  • Vorsprache bei Schulrat und Schulbehörden, eine Dokumentation erarbeiten über Vorfälle, die gegen die Würde des Kindes verstoßen. Vom Kinderarzt eventuelle psychosomatische Reaktionen des in Not befindlichen Kindes bestätigen lassen, ihn um Engagement bitten, ebenso Psychotherapeutinnen für Kinder und Jugendliche.

  • Wenn die schul-internen Bemühungen nicht weiterführen: Öffentlichkeit herstellen mit Hilfe von Presse und anderen Medien, auf die lernstörende Situation aufmerksam machen. Bei offensichtlichen Verstößen gegen die Schulgesetze: Dienstaufsichtsbeschwerde, gestützt auf Unterrichtsgesetz, Schulordnung, Beamtenrecht und Verfassung. Wenn es sich um Grundrechtsverletzungen handelt: Vom Petitionsrecht Gebrauch machen: sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an Abgeordnete und den Landtag wenden. Oder: Gerichtliches Vorgehen bei Verstößen gegen die Persönlichkeitsrechte der Schüler.

6. Schülerpolitische Vorschläge: Unterstützung der Zivilcourage von Jugendlichen

  • Menschenrechte müssen auch Schülerrechte sein
    Persönlichkeitsverletzungen, die Schülern durch Lehrer zugefügt werden, dürfen nicht tabuiert werden. Kinder, die unter dem Macht-Missbrauch von Lehrern leiden, müssen politisches Thema sein. Das Tabuieren verletzenden Lehrerverhaltens aufzuheben, sollten sich Kinderpolitiker zur Aufgabe machen. Das Grundrecht „Die Würde des Schülers ist unantastbar“ muss auch für Schüler gelten.

  • Die Rechte der Schüler stärken
    Schüler sollten praktisch erleben, was demokratisches Handeln heißt. Es muss ihnen ermöglicht werden, ihre Interessen auszudrücken und im Rahmen der schulischen Aufgaben umzusetzen. Kinder und Jugendliche sind fähig, demokratisch mitzusprechen bei der Lernstoff-Auswahl, der Unterrichtsmethode und dem schulischen Zusammenleben. Sie bräuchten ein Mitbestimmungsrecht in allen sie betreffenden Fragen des Unterrichts und des Schullebens. Dadurch wird das eigenverantwortliche Handeln gestärkt.

  • Seelische Züchtigung verbieten
    Das ist zwar durch Gesetze festgelegt. Aber es müsste konkreter ins Bewusstsein von Lehrern, Schülern, Eltern und Politikern eingehen, dass Bloßstellung, Beleidigung, Ehrverletzung, Auslachen, Entwertung und andere seelische Verletzungen nicht nur unpädagogische Vergehen sind, sondern strafbare Handlungen.

  • Durch Schülerbeauftragte die Grundrechte der Schüler schützen
    Bei bestimmten Gruppen abhängiger Bürger wachen Bundesbeauftragte über die Einhaltung demokratischer Rechte: Wehrbeauftragte für Soldaten, Frauenbeauftragte für Frauen, Ausländerbeauftragte für ausländische Bürger. „Kinderbeauftragte“, wo es sie gibt, können sich nicht hinreichend um die schulischen Belange der Schüler kümmern, zumal von ihnen oft das Tabu befolgt wird, Lehrer nicht zu kritisieren. Schülerinnen und Schüler sind in einer abhängigen Stellung; sie bräuchten Ombudsmann oder Ombudsfrau, die ihre grundgesetzlichen Rechte schützen.

  • Schülern Rechtsschutz gewähren
    Lehrer haben mehrfachen Rechtsschutz durch Berufsverband, Anstellungsbehörde und privat. Schüler brauchen Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche juristisch beraten und ihnen beistehen, wenn sie rechtswidrig behandelt werden. Sie bedürfen des gleichen Rechtsschutzes, den ihre Lehrer genießen. Die Schüler müssen rechtliche Möglichkeiten haben, seelischer Gewalt von Lehrern auszuweichen: durch Lehrerwechsel, Schulwechsel, Lehrerwahl... Dazu sollte ihnen kostenfreier Rechtsschutz gewährt werden.

  • Neutrale Instanzen für Schülerhilfe schaffen
    Es müssen mehr Einrichtungen geschaffen werden wie Kontakt-Telefon, unabhängige Schülerberatungs-Stellen, psychosoziale Betreuung. Wenn Kinder durch die Schule in Not gebracht werden, sollten sie sich an unparteiischen Stellen beraten lassen können.

  • Demokratisches Handeln praktisch erfahren lassen
    Die Schüler müssen an dem Ort Demokratie erfahren, an dem sie die meiste Zeit verbringen: in der Schule. Lehrer sollten sie anleiten, demokratisch mitzuwirken: Die Schüler müssen ihre Rechte kennen, lernen wie man eine Klassensprecherwahl vorbereitet und durchführt und wie sie die Aufgaben der Schülermitverwaltung erfüllen können.

  • Lebenslanges Lernen und sich Qualifizieren von Lehrern
    Lehrer-Sein ist ein helfender Beruf. Für den konflikt-bearbeitenden Umgang mit Kindern und Jugendlichen sind Lehrer zu wenig ausgebildet; deshalb bedürfen sie einer intensiven Weiterbildung über die gesamte Berufszeit hinweg – wie dies bei anderen helfenden Berufen üblich ist. Unterrichtliche Kompetenz ist eine wichtige Voraussetzung für den gewaltfreien Umgang mit Kindern und Jugendlichen.

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