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Prof. Dr. Kurt Singer

Lehrer-Schüler-Konflikte gewaltfrei regeln
Erziehungsschwierigkeiten und Unterrichtsstörungen
als Beziehungsschwierigkeiten bearbeiten

Beltz Verlag Weinheim, 5.Auflage 1996, 197 Seiten € 19,00

Kurztext

Konflikte gehören zum Schulalltag. Wir können sie nicht verhindern, aber wir können sie aufdecken und bearbeiten. Andernfalls führen sie zu andauernden Lehrer-Schüler-Machtkämpfen und Strafaktionen, die Lehrerinnen und Lehrern das Leben schwer machen, aber auch Kindern und Jugendlichen.

Das Buch belehrt nicht darüber, was Lehrerinnen und Lehrer besser machen sollen, sondern fragt danach, wie sie mit den Schülern besser leben können: Bleibe ich im Unterricht „ich selbst“ oder muss ich meine Person einer Lehrer-Rolle opfern, die mir nicht gefällt? Darf ich meine Wünsche und Ängste im Schulalltag merken? Kann ich mit den Jugendlichen so Kontakt aufnehmen, wie ich das möchte? Die Frage „Was mache ich richtig oder falsch?“ weicht den Fragen „Wer bin ich? Wie möchte ich sein?“

Der Leser wird angeregt, Entwicklungsprozesse bei sich selbst zu ermöglichen, die ihm helfen, Disziplinprobleme und Erziehungsschwierigkeiten im Unterricht nicht mit Machtmitteln oder psychologischen „Strategien“ zu lösen, sondern zu Schülern und Klasse Beziehung aufzunehmen, statt nur zu erziehen. Die anschaulichen Beispiele zeigen keine „idealen Lösungen“; sie ermutigen dazu, Prozesse zu wagen, sich zu verständigen. Die Fallbeispiele sind nicht zum Nachmachen, sondern zum Nachdenken. Sie sollen dazu anregen, sich mit sich selbst und mit den Schülern konflikt-bearbeitend einzulassen: miteinander Konflikt-Konfliktfähigkeit zu lernen.

Es handelt sich auch um die Frage: Können wir in der Schule dazu beitragen, den Frieden zu lernen? In unserer durch Kriege gefährdeten Welt sollte Friedenspädagogik in der Schule als Information über Wege zum Frieden und als unmittelbare Erfahrung im Zusammenleben eine größere Rolle spielen als sie das derzeit tut.

Inhalt

Sich begreifen lassen in schulischen Konfliktsituationen
Mit sich selbst in der Beziehung zum andern bleiben

Die begründete Angst von Lehrerinnen und Lehrern
     „Man kann nie sicher sein, was alles passiert“
Sich in Konflikt-Situationen begreifen lassen
     „Du gold-zahnige Wildsau“ – Eine Lehrerin lässt sich treffen und bleibt echt
„Bei sich selbst bleiben“ ermöglicht dem andern das Zu-sich-Kommen.
     Erstarrung durch die „Angst, das Gesicht zu verlieren“
Ordnungsmaßnahmen stören die Beziehungsaufnahme und verhindern eine ursächliche
     Problemlösung - Der „gerechte Verweis“. Die zudeckende Wirkung der Schulstrafe
„Sich beweisen müssen“ erschwert die Konfliktregelung“
     Der verleugnete Kontaktwunsch – „Egoistisch, mein eigenes Ich herauszustellen?“
Sich auseinandersetzen – statt bürokratisch zu verfahren
     Menschliche Hilfe nicht zu Ordnungsmaßnahmen verkommen lassen
Nicht „Gefühle zeigen“ – sondern in Beziehung treten.
     Beziehungsaufnahme statt über den andern zu verfügen
Sich begreifen lassen – auch in anderen Bereichen des Zusammenlebens

Feindbilder in der Lehrer-Schüler-Beziehung überwinden
Unterbrechen der Abschreckungs-Spirale Angst- Feindbild – Gewalt – Angst

Das „Feindbild Schüler“ führt zum „Prinzip Abschreckung“
     „Man muss streng anfangen“ – Arbeitsbündnis durch Kontaktaufnahme
Feindbilddenken kann Ausdruck von Projektion und verleugneter Angst sein
     Das eigene „Böse“ wird in den Schülern bekämpft
Feindbilder lassen die Beziehung zwischen Lehrern und Schüler erstarren
     „Sie mögen keine Türken“ – Die verleugnete Verletzlichkeit einer Lehrerin
Der Versuch der „Ent-Feindung“ beginnt mit dem In-Berührung-Kommen
     Sich einlassen auf gegenseitige Ängste, Wünsche und Interessen
Aussteigen aus der Feindbild-Beziehung ermöglicht mehr Eigenbewegung
     „Du bist schuld!“ – Die Selbsteinschränkung durch das Feindbilddenken
Feindbilddenken behindert den „Feind“ und den, der das Feindbild aufrecht erhält
     Abbruch der Beziehung führt zum Verlust eigener Handlungsmöglichkeiten
Abbau von Feindbildern durch Aufnahme von Kontakt
     „Bekanntschaft ist der Feind der Feindschaft“
Feindbilder als Unterrichts- und Zusammenlebens-Thema
     Nur durch Abbau des Feindbilddenkens kann Frieden werden


Unbewusste Konflikte von Lehrerinnen und Lehrern
Schwierige Lehrer als Ursache gestörter pädagogischer Beziehung

Verdrängte Gefühle werden auf die Schulklasse gerichtet
     Eine Lehrerin ist wütend auf ihre Schüler, aber versteht ihre Wut nicht
Einengung des Lehrers führt zu Einengung der Schüler
     „Wie er mir, so ich dir!“ – Notwendigkeit kollegialer Zusammenarbeit
Ein unbewusster Lehrerkonflikt wird in die Jugendlichen hineinverlegt
     „Die Schülerinnen wollen mich verführen“
Projektion – ein unbewusster beziehungsstörender Vorgang
     Konflikte aufdeckend und ursachen-orientiert angehen
Mangelnde Selbstbetrachtung des Lehrers verzerrt die pädagogische Beziehung
     Unpädagogisches Verhalten wird als erzieherisches Verhalten ausgegeben
„Rationalisierung“ als blockierender psychischer Vorgang
     Das Verwechseln von „Manipulieren“ und „Erziehen“
Aufdecken und selbstkritisches Bearbeiten von Schwierigkeiten
     Hilfen für aufdeckende Problemlösungsverfahren


Kinder und Jugendliche mit ihren Gefühlen annehmen
Sich auf Gefühlsäußerungen der Schüler einlassen

Gefühlsäußerungen nicht bewerten – sondern als Gefühl des Kindes akzeptieren
     „Deine Sorgen möcht’ ich haben“ – Wieder-Erinnern eigener Erlebnisse
Gefühle nicht zudecken – sondern sich berühren lassen
     „Brauchst doch keine Angst haben“ – Geringe Angstwahrnehmung von Lehrern
Ablehnende Gefühle des Schülers nicht mit aggressivem Handeln gleichsetzen
     Ein Kind, das seine Wut zeigen darf, muss vielleicht nicht zuschlagen
Gefühlsäußerungen annehmen bedeutet: Die Person des Schülers respektieren
     Gefühle der Kinder als Teil ihrer selbst – Zwang zur Anpassung
Spontanmitteilungen der Schüler als persönliche Lebensäußerung begreifen
     „Der kleine Fuchs“: Note 6: Hat der „schwierige“ Schüler das Thema verfehlt?
Gefühlsäußerungen respektieren – auch wenn sie nicht immer zu verstehen sind
     Ein Schüler wird „böse“, weil er die Lehrerin liebt
Schüler-Gefühle nicht annehmen: Schutz vor eigenen bedrohlichen Gefühlen?
     Kinder mit Kriegs- und Atomangst nicht allein lassen


Lehrer-Schüler-Konflikte gewaltfrei regeln
Gewalt durch gewaltfreies Handeln überwinden – Praktizierte Friedens-Beziehung

Der mit Gewalt ausgetragene Konflikt verschärft den Konflikt
     Ein gewalttätiger Schüler schlägt um sich – Was hat der Lehrer damit zu tun?
Die friedliche Absicht der erzieherischen Gewalt wirkt nicht friedlich
     Kinder lernen die Konfliktlösung, die wir ihnen vormachen
Übersprungene Gefühle können zu Wut führen
     Sich selbst nicht annehmen, erschwert das Verstehen
Die unsichtbare alltägliche Gewalt in Schulen fördert gewalttägiges Handeln
     Die strukturelle Gewalt abbauen
Lernmethoden müssen mit den Wegen gewaltfreier Konfliktregelung übereinstimmen
     Gewalt in der Lernumwelt erschwert es, gewaltfrei miteinander umzugehen
Gewaltfrei ausgetragene Konflikte ermöglichen neue Lösungen
     „Ihr Unterricht ist stinklangweilig!“ – Einseitig abrüsten
Der Weg vom Machtprinzip zum Verständigungsprinzip ermöglicht friedliches Handeln
     Die Vergeltungsregel „Böses mit Bösem vergelten“ außer Kraft setzen
Beziehung ist Voraussetzung des Gewaltabbaus
     Von der Du-oder-Ich-Beziehung zum Sich-Verständigen
Die atomare Drohung fordert zum „Lernziel Gewaltfreiheit“ heraus
     Ein kritisches Bewusstsein zum Thema „Frieden“ erarbeiten

Konflikte durch aggressive Kinder und Jugendliche
Umgang mit der Aggression in der Lehrer-Schüler-Beziehung

Aggression und Aggressivität – Annahmen über Aggressions-Ursachen
Aggression als Entwicklungsnotwendigkeit
     An-greifen – Sich-treffen – Heran-gehen – Behinderte Aggression macht krank
Ein aggressiver Jugendlicher – Das „gestörte“ Kind wird zum Störer
     Der Vierzehnjährige tyrannisiert seine Gymnasiallehrer – Ein Vaterkonflikt
Psychologisches Verstehen und Helfen durch Beziehungsaufnahme
     Der aggressive Gymnasiast wird verstanden – Beziehung heilt Aggressivität
Pädagogisches Handeln in der Beziehung zu aggressiven Jugendlichen
     Möglichkeiten der Beziehungsaufnahme und „Erste Hilfe“
Zerstörungswut durch aggressivitäts-auslösende Lebensbedingungen in der Schule
     Die Verdinglichung der Schüler
Lebendiger Unterricht vermindert Aggressivität
     Interessengeleitetes und handelndes Lernen

Konfliktbearbeitung im Gespräch mit den Schülern
Kinder und Jugendliche brauchen in Problemsituationen ein gutes Wort und die Chance, zu Wort zu kommen

Das Befinden von Kindern und Jugendlichen erkunden
     Wahrnehmen durch teilnehmendes Zuhören
Emotionale erste Hilfe in der Konfliktsituation ausüben
     Entkrampfte Sofort-Hilfe für Schüler und Lehrer
Nicht „einwirken“ – sondern „da sein“
     Sich vom pädagogischen Aktivismus lossagen
Die Angst vor Nähe respektieren
     „Schwierige“ Kinder haben es schwer mit dem Sprechen
Im Gespräch die Ich-Stärkung des Schülers unterstützen
     Den Klassenclown nicht „klein machen“ – Das „Gespräch nebenbei“
Auch Lehrerinnen und Lehrer brauchen ein „gutes Wort“
     „Wer lobt denn mich?“


Selbstwahrnehmung als Grundlage der Konfliktbearbeitung
Sich mit der eigenen Person auseinander setzen

Eine Lebensbedürfnisse in der Schule wahrnehmen
     Nicht eingestandene Erwartungen als Ursache eigener Gespanntheit
Eingespurte Machtdenken an sich selbst erkennen und aus ihm heraustreten
     „Ich habe mich wegen meines Gegen-Schlags geschämt“
Das Lehrerverhalten in jede Konfliktbearbeitung einbeziehen
     Eine Schülergruppe stört aus Eifersucht – Unbewusste Rollenzuweisung
Selbsteinschätzung – Selbstbeobachtung – Selbstbefragung
     „Ich möchte in der Schule so sein, wie ich bin“
Das Gespräch mit Kollegen und Freunden
     Kollegenbesuche und Kollegenkritik – Fragebogen und Unterrichtskritik
Die psychologisch-pädagogische Einzelberatung
     Freundlosigkeit in der Schule durch Isolation im Kollegium
Ursachen-orientierte Konfliktberatung als Chance für neues Handeln
     Die Beziehungsverwirrung verstehen und aufheben
Unterrichtspsychologisches Beratung, Anstoß zu Interesse erweckendem Lernen
     Disziplinschwierigkeiten in der Biologiestunde


Pädagogische Gruppen – Erfahrungsraum für das Bearbeiten von Konflikten
Übungs- Seminare – Themenzentrierte Aktion – Lehrer-Selbsthilfegruppen

Übungs-Seminare als Lernsituation für pädagogische Konfliktbearbeitung
     Probehandeln ohne „Richtig“ und „Falsch“
Eine Angst machende Konfliktsituation als Übungsinhalt
     Übungsschritte der Konfliktregelung
Gruppen in themen-zentrierter Interaktion TZI
     Regeln der Konfliktbearbeitung
Lehrer-Selbsthilfegruppen als Hilfe beim Bearbeiten von Schulkonflikten
     Was Selbsthilfe-Gruppen sind und bewirken können
Von der Panzerung zur Berührung
     „Ich pflastere mich mit meinem Stoff vollkommen zu“


Die tiefenpsychologisches Konflikt-Gesprächsgruppe – Balint-Gruppe
Beziehungsstörungen im „Hier und Jetzt“ bearbeiten

Beziehungskonflikte in der Gruppe bearbeiten
     Das Persönliche aussprechen lernen – An anderen Halt bekommen
Das Wahrnehmungsvermögen entwickeln
     Vom Handlungszwang zum Aufmerken und „Lassen“
Tiefenpsychologische Erkenntnis und Selbsterkenntnis anbahnen
     Ängste akzeptieren und durcharbeiten
Von der Frage nach „Richtig“ und „Falsch“ wegkommen
     Den Ist-Zustand annehmen
Die Gruppe als Erfahrungsraum
     Balint-Gruppe – Selbsterfahrungs-Gruppe – Therapeutische Gruppe
Lehrer-Gruppen ermutigen zum Verändern der Schule
     Die Gruppenarbeit fördert emanzipatorische Prozesse

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